Arbeitstitel: Argumentationstopologien in Peergesprächen unter Primarschulkindern

Erstbetreuung: Prof. Dr. Martin Luginbühl, Universität Basel
Zweitbetreuung: Prof. Dr. Alexander Ziem, Universität Düsseldorf

Abstract

Mein Promotionsprojekt lässt sich im Spannungsfeld zwischen gesprächsanalytischer Argumentationsforschung, kognitiver Semantik und pädagogischer Lernforschung verorten. Es zielt darauf ab, die Wechselwirkungen der von Schulkindern in Peerdiskussionen konstruierten semantischen und pragmatischen Frames zu analysieren. Somit wird ein kognitionslinguistischer Beitrag zum Verständnis und zur Förderung interaktionaler Argumentationskompetenz geleistet und gleichzeitig Empiriedefiziten der Kognitionslinguistik im Bereich der multimodalen Face-to-Face-Interaktion entgegengewirkt. Durch eine Kombination von Gesprächsanalyse und kognitiver Framesemantik untersuche ich sowohl qualitativ als auch quantitativ, wie Interagierende konzeptuelle Relationen in kollaborativ konstruierten semantischen Netzwerken für argumentative Zwecke interaktiv nutzen, also aktivieren, (re)konfigurieren und inhibieren.

Einordnung

In der Lernforschung wird dem kollaborativen Argumentieren zunehmend eine zentrale Rolle zugeschrieben (Andriessen & Baker 2014). Es wird davon ausgegangen, dass die argumentative Ko-Konstruktion neuen Wissens zu erhöhten Lernerfolgen führt (Iordanou & Rapanta 2021). Tatsächlich zeigen Studien, dass Schüler:innen mittels argumentativer Übungen verinnerlichen, wodurch welche  Wissensformen in der Interaktion ko-konstruiert werden können (Heller 2012). Um Argumentationskompetenzen angemessen zu fördern, müssen diese zuerst aber konzeptualisiert und operationalisiert werden. Während hier in dezidiert linguistischen Zugängen die Dimension der Handlungsmusterprozessierung mittlerweile besser erforscht ist (vgl. bspw. Luginbühl & Müller-Feldmeth 2022), stellt die extensive Erfassung der semantischen Themaprozessierung weiterhin eine Forschungslücke dar, zu deren Schließung dieses Projekt beitragen will.

Umsetzung

Als Datengrundlage dienen die in den Forschungsprojekten Argumentative Gesprächskompetenz in der Schule und KompAS videografierten, transkribierten und annotierten 180 Peergespräche zwischen je vier Kindern der zweiten, vierten und sechsten Primarschulstufe. Zur Erfassung der von den Interagierenden konstruierten semantischen Netzwerke wird ein framesemantischer Ansatz (Fillmore 1982) gewählt. Damit können einerseits unausgesprochen evozierte kognitive Elemente rekonstruiert werden, andererseits ermöglichen die in der Framesemantik angenommenen Abstraktionsebenen konzeptueller Relationen (Ziem 2008) einen systematischen Vergleich der in den Gesprächen hervorgebrachten Wissensstrukturen. Analysiert werden die Daten schließlich sowohl mit quantitativen (Korrelierung der Annotationen pragmatischer Handlungsmusterprozessierung und semantischer Themaprozessierung) als auch qualitativen (multimodale Gesprächsanalyse) Methoden. So soll gezeigt werden, welche Wissensstrukturen auf welchen Klassenstufen typischerweise konstruiert werden, wie die Gesprächsteilnehmenden interaktional durch das semantische Netzwerk navigieren und wie konzeptuelle Relationen darin argumentativ genutzt werden.

Literatur

Andriessen, Jerry & Michael Baker. 2014. Arguing to learn. In: R. Keith Sawyer (Hrsg.), The Cambridge handbook of the learning sciences (Cambridge Handbooks in Psychology, 2. Auflage), 439–460. Cambridge: Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9781139519526.027.

Fillmore, Charles J. 1982. Frame semantics. In: The Linguistic Society of Korea (Hrsg.), Linguistics in the morning calm, 111–138. Seoul: Hanshin.

Heller, Vivien. 2012. Kommunikative Erfahrungen von Kindern in Familie und Unterricht: Passungen und Divergenzen. Tübingen: Stauffenburg Verlag.

Iordanou, Kalypso & Chrysi Rapanta. 2021. «Argue with me»: A method for developing argument skills. Frontiers in Psychology 12. 631203. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.631203.

Luginbühl, Martin & Daniel Müller-Feldmeth. 2022. Oral argumentation skills between process and product. Languages 7(2). 139. https://doi.org/10.3390/languages7020139.

Ziem, Alexander. 2008. Frame-Semantik und Diskursanalyse: Skizze einer kognitionswissenschaftlich inspirierten Methode zur Analyse gesellschaftlichen Wissens. In: Ingo H. Warnke & Jürgen Spitzmüller (Hrsg.), Methoden der Diskurslinguistik (Linguistik – Impulse & Tendenzen 31), 89–116. Berlin & New York: De Gruyter. https://doi.org/10.1515/9783110209372.2.89.