Theorie der Prosa

Forschungsprojekt 20172021 (finanziert vom Schweizer Nationalfonds),

unter der Leitung von Prof. Dr. Ralf Simon

Mitarbeitende: Sina Dell’Anno, Achim Imboden, Jodok Trösch.

Kurzfassung: Während Beiträge zur Dichtungstheorie (Poetik) Bibliotheken füllen, existiert für die Prosa noch keine Theorie. In dem Projekt wird die erstmals gestellte Frage nach der Theorie der Prosa mit grundlegenden Überlegungen zur poetischen Selbstreferenz (im Gegensatz zur Form) verbunden.

Hintergrund: »Was Prosa eigentlich sei, hat noch niemand gesagt.« Ausgehend von einer bis heute gültigen Feststellung Friedrich Schlegels (KFSA 16, 134) soll dieses Forschungsprojekt eine Theorie der Prosa erarbeiten. Exemplarische Studien zu ausgewählten deutschsprachigen Autoren (insbes. Fischart, Jean Paul, Raabe, Arno Schmidt) bilden dabei das Zentrum. Es sollen jedoch auch relevante Texte anderer europäischer Philologien in den Blick genommen werden. Eine Monographie (Simon) geht auf der Basis umfangreich vorliegender Vorarbeiten die Theorie der Prosa direkt an, die drei Teilprojekte widmen sich wesentlichen Komplexen der Prosa: der menippeischen Satire als zentralem Textmodell (Dell’Anno), der Übersetzung als Produktionsprinzip vielsprachiger Prosatexturen (Trösch) und der Digression als genuinem Textprinzip (Imboden).

Eine Theorie der Prosa steht vor dem Problem, den für die Literaturwissenschaft zentralen Begriff der Form nicht in Anschlag bringen zu können. Er wird im Projekt durch das Konzept der Poetizität, verstanden als sprachliche Selbstreferenz (Roman Jakobson) ersetzt. Dies zieht die These nach sich, dass Form und Selbstreferenz genuin unterschiedliche Prinzipien sind und dass folglich eine Grundlegung der Literaturwissenschaft neu anzugehen ist: Statt der Lyrik bilden dafür die fortgeschrittenen, nichtnarrativen Prosatexturen das Paradigma.

Ziel und Bedeutung: Das Projekt versucht eine Theorie der Prosa zu formulieren, sie in Pilotstudien exegetisch einzulösen und unternimmt dabei zugleich eine Ausformulierung der verschiedenen Typen von poetischer Selbstreferenz. Eine solche Theorie liegt in der Literaturwissenschaft bislang nicht vor. Immer noch ist Jakobsons Diktum, Literaturwissenschaft könne sich im Kern nur durch eine ›Theorie der Poetizität‹ begründen, uneingelöst. Der in diesem Projekt eingeschlagene unkonventionelle Weg führt über die engen Selbstreferenzen der die Form überschreitenden Prosatexturen zurück auf diese Fragestellung, die letztlich diejenige nach dem disziplinären Selbstverständnis der Literaturwissenschaft ist.

Einzelne Projekte: Neben den drei Promotionsschriften (s.o.) und der Monographie zur Theorie der Prosa (s.o.) ist ein gemeinsamer, kommentierender und theoretisch zuspitzender Band zu Jean Pauls Vorschule der Ästhetik geplant. Unsere These lautet, dass die Vorschule im Rahmen der deutschsprachigen Ästhetiken und Poetiken am ehesten den Horizont zu einer ›Theorie der Prosa‹ öffnet. Geplant ist neben diversen Workshops eine internationale Tagung zur Theorie der Prosa.


Ralf Simon: Publikationen zur Prosa-Thematik

In der folgenden Bibliographie sind aufgenommen: Arbeiten zur Theorie der Prosa, zur Frage der poetischen Selbstreferentialität, zu theoretischen Fragen im Umfeld der Prosa-Fragestellung, zu Fragen der Ästhetik im Umfeld des Formbegriffs, Studien zu für die Prosa einschlägigen Autoren (insbes. Jean Paul, Wilhelm Raabe, Arno Schmidt).

Zur kompletten Bibliographie


Bücher

  • Die Idee der Prosa. Zur Ästhetikgeschichte von Baumgarten bis Hegel mit einem Schwerpunkt bei Jean Paul, München (Fink) 2013, 303 S.

  • Lesarten zu Arno Schmidts „Abend mit Goldrand“. Hrsg. von Ralf Simon, München 2016.

Anthologie

  • Weltall im Krähwinkel. Ein Jean-Paul-Lesebuch. Hrsg. von Ulrich Holbein und Ralf Simon, Düsseldorf 2013.

Aufsätze

2017

  • Rhetorik in der Frühgeschichte der philosophischen Ästhetik, in: Handbuch Rhetorik und Philosophie. Hrsg. von Andreas Hetzel und Gerald Posselt. Berlin/Boston 2017, 189-215.

  • Begriff und Idee der Prosa. Arno Schmidt und die ästhetiktheoretischen Überlegungen des 18. Jahrhunderts, in: Arno Schmidt und das 18. Jahrhundert. Hrsg. von Hans-Edwin Friedrich, Göttingen 2017, S. 421-440.

2016

  • Poeticidad/Poética, in: Insula. Revista de Letras y Ciencias Humanas 829-830 (Feb. 2016), S.42-43.

  • Jean Paul und die Gnosis, in: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 51/2016, S. 5-58.

  • Petites perceptions und ästhetische Form, in: Leibniz in Philosophie und Literatur um 1800. Hrsg. von Wenchao Li und Monika Meier, Hildesheim/ Zürich/ New York 2016, 203-229.

  • "Stopfkuchen", Artikel in: Raabe Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. Hrsg. von Dirk Göttsche, Florian Krobb und Rolf Parr, Stuttgart 2016, 228-235.

  • "Horacker", Artikel in: Raabe Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. Hrsg. von Dirk Göttsche, Florian Krobb und Rolf Parr, Stuttgart 2016, 176-180.

  • Vor und nach der Form, in: Zeit der Formen, Formen der Zeit. Hrsg. von Michael Gamper, Eva Geulen, Johannes Grave, Andreas Langenohl, Ralf Simon, Sabine Zubarik, Hannover 2016, 63-82.

2015

  • Das falsche Leben. Zu einer Denkfigur bei Schopenhauer, Adorno und Arno Schmidt. in: Leben verstehen. Zur Verstricktheit zweier philosophischer Grundbegriffe. Hrsg. von Miriam Fischer-Geboers und Benno Wirz, Weilerswist 2015, S. 159-176.

  • Krypta und Erlösung (Arno Schmidt), in: Rettung und Erlösung. Politisches und religiöses Heil in der Moderne. Hrsg. von Johannes F. Lehmann und Hubert Thüring, München 2015, S. 229-257.

  • Die Latenzgehalte des Surrealismus (Peter Weiss, Die Ästhetik des Widerstands), in: Das unerledigte Vergangene. Konstellationen der Erinnerung. Hrsg. von Emil Angehrn und Joachim Küchenhoff, Weilerswist 2015, S.47-80.

  • Lektüre versus Kanon. Zu einer Grundfigur bei Arno Schmidt, in: Arno Schmidt und der Kanon. Hrsg. von Axel Dunker und Sabine Kyora, München 2015, S.189-203.

2014

  • Theorie des Übersetzens, ausgehend von Arno Schmidt: Dr. Mac Intosh:Piporakemes!›, in: Zettelkasten 29 (Jahrbuch der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser 2012), S. 115-139.

  • Durcheinanderprosa (Jean Paul, Wilhelm Raabe, Arno Schmidt), in: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 48/49 (2013/14), S. 19-37.

  • Vorüberlegungen zu einer Theorie der Prosa, in: Poetik. Historische Narrative und aktuelle Positionen. Hrsg. von Armen Avanessian und Jan Niklas Howe, Berlin 2014, S. 124-144.

  • Jean Pauls Ästhetik, in: Jean Paul, der Fremde. Kleine Vorschule zu Texten und Kontexten eines schwierigen Autors. Hrsg. von Gunnar Och, Georg Seiderer und Constanze Lörner, Würzburg 2014, S. 103-120.

2013

  • Weltbild: Imagination und Architektur (Arno Schmidt, ausgehend von Kosmas oder Vom Berge des Nordens), in: Zwischen Architektur und literarischer Imagination. Hrsg. von Andreas Beyer, Ralf Simon und Martino Stierli, München 2013, S. 91-112.

  • Einleitung. Zwischen Architektur und literarischer Imagination [zusammen mit Martino Stierli], in: Zwischen Architektur und literarischer Imagination. Hrsg. von Andreas Beyer, Ralf Simon und Martino Stierli, München 2013, S. 9-24.

  • Vortrab. Vorwort zu: Weltall im Krähwinkel. Ein Jean-Paul-Lesebuch. Hrsg. von Ulrich Holbein und Ralf Simon, Düsseldorf 2013, S. 9-21.

  • Gemälde und ihre Bilder. Arno Schmidts Ontologie des Bildes in Julia, oder die Gemälde, in: Gemälderedereien. Zur literarischen Diskursivierung von Bildern. Hrsg. von Konstanze Fliedl, Bernhard Oberreither und Katharina Serles, Berlin 2013, S. 108-128.

  • Geschichtsverlauf und Subjektgenese. Zu einem Deutungsmuster romantischer Geschichtsphilosophie und der realistischen Korrektur bei Raabe (Im Siegeskranze,Horacker), in: Realism and Romanticism in German Literature / Realismus und Romantik in der deutschsprachigen Literatur. Hrsg. von Dirk Göttsche und Nicholas Saul, Bielefeld 2013, S. 395-425.

  • Ochsenwendig. Statt Stimmung Gestus (Brecht), in: Stimmung und Methode. Hrsg. von Friederike Reents und Burkhard Meyer-Sickendiek, Tübingen 2013, S. 263-279.

2012

  • Das Problem des Teiresias. Arno Schmidts bildverrätselte Thanatologie (Gelehrtenrepublik), in: Arno Schmidt und die Antike. Hrsg. von Klaus Geus, Dresden 2012, S. 187-213

  • Das Wort beim Namen nennen. Die Anagrammatik als konstituierendes Element des poetischen Textes, in: Name, Ding. Referenzen. Hrsg. von Stefan Börnchen, Georg Mein, Martin Roussel, München 2012, S. 91-106

  • Ikonische Prädikation und spekulativer Satz. Überlegungen zum Verhältnis von Prädikation und Bild, in: Macht und Ohnmacht der Sprache. Philosophische und psychoanalytische Perspektiven. Hrsg. v. Emil Angehrn und Joachim Küchenhoff, Weilerswist 2012, S. 252-266

2012

  • Das Problem des Teiresias. Arno Schmidts bildverrätselte Thanatologie (Gelehrtenrepublik), in: Arno Schmidt und die Antike. Hrsg. von Klaus Geus, Dresden 2012, S. 187-213

  • Das Wort beim Namen nennen. Die Anagrammatik als konstituierendes Element des poetischen Textes, in: Name, Ding. Referenzen. Hrsg. von Stefan Börnchen, Georg Mein, Martin Roussel, München 2012, S. 91-106

  • Ikonische Prädikation und spekulativer Satz. Überlegungen zum Verhältnis von Prädikation und Bild, in: Macht und Ohnmacht der Sprache. Philosophische und psychoanalytische Perspektiven. Hrsg. v. Emil Angehrn und Joachim Küchenhoff, Weilerswist 2012, S. 252-266

2011

  • Die lokale Zirkulation des ethnologischen Wissens. Raabes Verwandlungsgeschichte "Vom alten Proteus", in: Magie der Geschichten. Weltverkehr, Literatur und Anthropologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hrsg. von Michael Neumann und Kerstin Stüssel, Konstanz 2011, S. 509-522

2010

  • Die narrative Stillstellung von Historie. Raabe: „Die Gänse von Bützow“, in: Signaturen realistischen Erzählens im Werk Wilhelm Raabes. Hrsg. von Dirk Göttsche und Ulf-Michael Schneider, Würzburg 2010, S. 41-55.

2009

  • Jean Pauls Idyllentiere oder Hermeneutik der Welt-als-Idylle, in: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 44 (2009), S. 63-80.

  • Schlachtfeld, Stimmen (E.T.A. Hoffmann), in: Die Topographie Europas in der romantischen Imagination. Colloquium Helveticum 39/2008. Hrsg. von Florence Pennone, Ralf Simon und Markus Winkler, Freiburg (Schweiz) 2009.

  • Raabes literarische Historik, in: Jahrbuch der Raabe-Gesellschaft 2009, S. 7-21.

2006

  • Commercium und Verschwörungstheorie. Schillers "Geisterseher" und Jean Pauls "Titan", in: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 41 (2006), S. 221-245.

  • Zur monadischen Kommunikation von poesieinterner und poesieexterner Interpretation, in: Anfang und Grenzen des Sinns. Festschrift für Emil Angehrn. Hrsg. von Brigitte Hilmer, Georg Lohmann und Tilo Wesche, Weilerswist 2006, S. 120-136.

  • Raabes poetologische Wälder („Krähenfelder Geschichten“). Eine metaphorologische Analyse des Raabeschen Erzählmodells, in: Jahrbuch der Raabe-Gesellschaft 2006 (Tübingen), S. 1-16.

2004

  • Herzensangelegenheiten (Jean Paul, "Siebenkäs"), in: Romantische Wissenspoetik. Die Künste und die Wissenschaften um 1800. Hrsg. von Gabriele Brandstetter und Gerhard Neumann, Würzburg 2004, S. 273-285.

  • Das Universum des Schreibens in Kuhschnappel (Jean Paul, "Siebenkäs" – Roman Jakobson), in: „Mir ekelt vor diesem tintenklecksenden Säkulum“. Schreibszenen im Zeitalter der Manuskripte. Hrsg. von Martin Stingelin, Davide Giuriato, Sandro Zanetti, München 2004, S. 140-155.

2003

  • Den Tod erzählen. Jean Pauls Thanatologie ("Titan"), in: Darstellbarkeit. Zu einem ästhetisch-philosophischen Problem um 1800. Hrsg. von Claudia Albes und Christiane Frey, Würzburg 2003, S. 235-253.

  • Herders sensualistischer Platonismus auf der Jean Paulschen Rennbahn der Charaktere. Dekonstruktionen des Déjà-vu in den "Flegeljahren", in: Déjà-vu in Literatur und bildender Kunst. Hrsg. von Günter Oesterle, München 2003, S. 115-127.

  • Die nichtsubjektive Sprache des Subjekts in der ästhetischen Erfahrung. Überlegungen zum Begriff der Natur in Adornos Ästhetischer Theorie, in: Proteus im Spiegel. Kritische Theorie des Subjekts im 20. Jahrhundert. Hrsg. von Paul Geyer und Monika Schmitz-Emans, Würzburg 2003, S. 97-106.

2000

  • Versuch über einige Rahmenbedingungen des literarischen Charakters in Jean Pauls "Flegeljahren", in: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 35/ 36 (2000/ 2001), S. 251-266.

1997

  • Ein Blick von der strukturalistischen Literaturwissenschaft zurück auf die dekonstruktive, in: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 44,3/ 1997, S. 64-82.

1994

  • Zwei Studien über Autobiographik: I. Autobiographie als elementare Hermeneutik. II. "Konjektural-Biographie" und "Selberlebensbeschreibung". Jean Pauls inszenierte Autobiographik. In: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 1994, S. 111-129 und 131-143.


Im Druck/ In der Vorbereitung

  • Was genau heißt: ›Projektion des Äquivalenzprinzips‹? – Roman Jakobsons Lehre vom Ähnlichen [in der Drucklegung, Tagungsband zur Tagung Strukturalismus heute, Hannover 25.–27.2.16, Herausgeber des Tagungsbandes: Martin Endres und Leonhard Herrmann]

  • Theorie der Prosa [in der Drucklegung: Handbuch Poetik/Poetizität, hrsg. von Ralf Simon]

  • Lichtenbergs Engführung von Prosa und Vers [Vortrag auf der Tagung La poésie entre vers et prose aux 18e et 19e siècles/ Lyrik zwischen Vers und Prosa (Basel 28.-30.4.16) – erscheint im Tagungsband]

  • Geplant für 2017/2018: De Gruyter Handbuch »Poetik/Poetizität« (ca. 700 S.) in der Reihe »Grundthemen der Literaturwissenschaft«. Hrsg. von Ralf Simon. Darin: Umfangreiche Einleitung zur Unterscheidung von Form versus Selbstreferenz.