Dissertationsprojekt

Das Projekt mit dem Arbeitstitel „,Preisgabe‘ – Materialisierung und Spiritualisierung im Werk von Emmy Hennings“ untersucht, wie sich die deutsche Schriftstellerin in ihrem gleichermassen von theologisch-mystischen Episoden wie von Schlagerstrophen durchzogenen Prosatexten um 1920 den modernen Arbeitsdiskursen und unterhaltungskulturellen Religionssurrogaten von den diskursiven Rändern her verschreibt. Dabei leuchtet sie in die abgründigen Winkel des industrialisierten Alltags, in denen Armut, Zerstreuung und das vergebliche Streben nach gesellschaftlichem Aufstieg dominieren. Ausgangspunkt des Projekts ist die Beobachtung, dass sich die analytische Brisanz und Aktualität von Hennings’ antithetischem Schreiben anhand eines Abgleichs der literarischen Texte mit den biopolitischen Subjektivierungsprozessen sowie im Kontext der philosophischen Ökonomie- und Säkularisierungsdebatten um 1920 verdeutlichen lässt. Dabei wird auf die einzigartige Konsequenz fokussiert, mit der Hennings in ihren Prosatexten die Verflechtung moderner Wissens- und Machtphänomene mit der christlichen Tradition reflektiert und performiert. Vor diesem Hintergrund lässt sich untersuchen, wie diese Simultanität sowohl auf inhaltlicher wie auch auf narrativer und poetisch-rhetorischer Ebene zu einer Poetik und Praktik der Preisgabe verdichtet wird, entlang welcher Hennings eine literarisch-genealogische Erkundung der Geschichte von Unterwerfung und Nutzbarmachung des weiblichen Körpers innerhalb der biopolitischen Moderne vornimmt. Der Begriff der „Preisgabe“ findet sich prominent in Hennings’ Prosatext Das Brandmal eingeschrieben und er ist paradigmatisch für die von der Autorin erprobte Engführung zweier Ordnungen – der ökonomischen (Preis) und der religiösen (Gabe).

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