Urbane Mehrsprachigkeit in der Schweiz: Kommunikative Praktiken und Spracheinstellungen

Wie kaum ein anderes Land in Europa ist die Schweiz durch Mehrsprachigkeit gekennzeichnet – und zwar nicht nur durch die in Öffentlichkeit und Forschung viel diskutierte interne Viersprachigkeit, sondern auch durch eine Vielzahl von Sprachen, die in den letzten Jahren Jahrzehnten mit den Migranntinnen und Migranten in die Schweiz gekommen sind.  Das Projekt untersucht, wie diese Mehrsprachigkeit von Zugewanderten und Einheimischen konkret gelebt wird, wie die verschiedenen Sprachen kommunikativ genutzt werden.

Dazu dokumentiert das Projekt zunächst den sprachlichen Alltag im öffentlichen und halböffentlichen Raum, auf Straßen, Plätzen, in Geschäften und auf Spielplätzen. Auf der Basis der erhobenen Daten werden anschliessend kommunikative Verfahren und Muster beschrieben. So wird z.B. nachgezeichnet, wer welche Sprachen und sprachliche Praktiken in welchen Situationen zum Erreichen welcher Zwecke benutzt. Um das so entstehende Bild auch erklären und die kommunikative Praxis verstehen zu können, wird schliesslich insbesondere auf den Begriff der Spracheinstellung zurückgegriffen – also auf (oft unbewusste) Überzeugungen und Annahmen über Sprache an sich oder über bestimmte Sprachen und über legitime oder weniger legitime Formen der Sprachverwendung. Das Projekt entwirft also zunächst ein Bild von dem kommunikativen Alltag in mehreren Sprachen in urbanen Räumen der Schweiz und rekonstruiert daraufhin zentrale gesellschaftlich relevante Faktoren, die dieses Bild prägen.

Das Forschungsprojekt trägt so zu dem gesellschaftlichen Wissen über die in Medien und Politik viel diskutierten Themen Migration und Sprache bei – wie und mit wem kommunizieren Migrantinnen und Migranten auf welche Weise, wie reagieren Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft auf sie und ihre Sprache, welche Bedeutung haben die verschiedenen Sprachen im Alltag für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Schweiz? Indem das Projekt sprachwissenschaftlich fundierte Antworten auf Fragen wie diese erarbeitet, kann es eine Grundlage bilden für gesellschaftliche Massnahmen im Bereich Migration und Sprache, die der sozialen Realität angemessen sind.

Das Projekt wird von August 2016 bis Juli 2019 am Deutschen Seminar der Universität Basel durchgeführt.

Das Projekt wird durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) im Rahmen des Förderprogramms Ambizione finanziert.

Projektleitung

Claudio Scarvaglieri, seit 2019 Professor an der Universität Gent