SNF-Forschungsprojekt: Die postromantische Konfiguration des Gewöhnlichen
Das Projekt zur „postromantischen Konfiguration des Gewöhnlichen“ fragt nach dem Zusammenhang zwischen der Entwicklung ästhetischer Gewöhnlichkeits-Konzepte und moder-nistischen Schreibweisen im 19. Jahrhundert und deren Wirkung im 20. Jahrhundert und der Gegenwart. Die literaturgeschichtliche Prämisse stellt die Begriffsgenese in der Romantik dar, welche Prozesse der Standardisierung und Normalisierung unter dem Begriff des „Gewöhnli-chen“ subsumieren und somit dieses „Gewöhnliche“ in der ästhetischen Konfiguration gleich-ermassen postulieren wie kritisieren. Der Ausgangspunkt der Analyse der Primärtexte ist die Umwertung des „Gewöhnlichen“ vom ästhetischen (polemisch-schematischen) „Gegen-Begriff“ in der Romantik zum poetologischen Reflexionsbegriff in hoch- und nachromanti-schen Literaturen. Den Untersuchungsgegenstand bilden vier Prosatexte aus dem 19. Jahrhundert – E.T.A. Hoffmanns Spätwerk Meister Floh (1822), Jeremias Gotthelfs Hans Joggeli der Erbvetter (1848), Theodor Fontanes erster Zeitroman L’Adultera (1882) und Wilhelm Raabes Stopfku-chen (1890). Sie verhandeln an der Figur des Sonderlings das Verhältnis von individueller und gesellschaftlicher Gewohnheit, die unter den Vorzeichen des postromantischen Diskurses um den Komplex gewöhnlich/gewohnt zur poetologischen Reflexionsfigur avanciert. Hier knüpft die Arbeit an aktuelle subjekttheoretische und kulturwissenschaftliche Debatten zur Unhintergehbarkeit von „zweiter Natur“ an und eruiert, wie weit gerade der Sonderlingstypus als Reflexionsfigur dieser Problematik taugt. Dabei schliesst das Projekt an phänomenologi-sche Überlegungen zur Erfahrung der Evidenz von Stimmungen des Gewöhnlichen und der diesem Komplex inhärenten Aporie der Unterscheidbarkeit von „Eigenem“ und „Frem-dem“ an. Im Zentrum steht dabei immer die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Verhältnis der diegetischen Ebene – der Auswahl von Umständen und Gegebenheiten, die als gewöhn-lich profiliert werden, sowie die jeweilige Figurenkonzeption, welche Gewohnheitsmecha-nismen exponiert – und der poetologischen Strategie, mit welcher der entsprechende Text das „Gewöhnliche“ konturiert. Phänomenologische Überlegungen zu Evidenz von Stimmungen des Gewöhnlichen und zum Aufbau der „Lebenswelt“ werden hierzu mit narratologischen Theoremen zur Darstellung von Räumen des Gewöhnlichen in der durch die Literatur erzeug-ten Spannung von „Fiktion“ und „Imagination“ mit dem Ziel verbunden, die postromantische Konfiguration des Gewöhnlichen auf ihre Wirkungskraft für dezidiert modernistische Prosa über die Schwelle zum 20. Jahrhundert hinaus zu prüfen. In der Frage nach der Relevanz der Gewohnheits- und Gewöhnlichkeitstypologie des 19. Jahrhunderts für modernistische Prosa ab der Jahrhundertwende stehen sich zwei Hypothesen gegenüber: Walter Benjamins Überlegungen gemäss haben sich die Gewohnheitstopoi der „Wohnsucht“ des 19. Jahrhunderts mit der Abkehr vom Gewohnten und der stärkeren Ge-wichtung immer flexiblerer Gewöhnungsdynamiken erledigt. Dem steht epochal verschoben die These Richard Sennetts gegenüber, wonach bereits die Gewohnheitsphantasmen des 19. Jahrhunderts eine Reaktion auf die zunehmende Flexibilisierung des Menschen in der Moder-ne darstellen. Folgt man letzterer Auffassung, so erschöpft sich die poetologische Reflexions-kraft in der Regressionsmotivik der Gewohnheits-Figuren des 19. Jahrhunderts nicht, sondern weist vielmehr auf eine subkutane Kontinuität, in welchen diese Poetiken um den Komplex Gewöhnlichkeit/Gewohnheit des 19. Jahrhunderts zu solchen des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart stehen, was schlaglichthafte Vorausblicke auf modernistische Prosatexte etwa von Robert Walser und Thomas Bernhard exemplifizieren.
Den Untersuchungsgegenstand bilden vier Prosatexte aus dem 19. Jahrhundert – E.T.A. Hoffmanns Spätwerk Meister Floh (1822), Jeremias Gotthelfs Hans Joggeli der Erbvetter (1848), Theodor Fontanes erster Zeitroman L’Adultera (1882) und Wilhelm Raabes Stopfkuchen (1890). Sie verhandeln an der Figur des Sonderlings das Verhältnis von individueller und gesellschaftlicher Gewohnheit, die unter den Vorzeichen des postromantischen Diskurses um den Komplex gewöhnlich/gewohnt zur poetologischen Reflexionsfigur avanciert. Hier knüpft die Arbeit an aktuelle subjekttheoretische und kulturwissenschaftliche Debatten zur Unhintergehbarkeit von „zweiter Natur“ an und eruiert, wie weit gerade der Sonderlingstypus als Reflexionsfigur dieser Problematik taugt. Dabei schliesst das Projekt an phänomenologische Überlegungen zur Erfahrung der Evidenz von Stimmungen des Gewöhnlichen und der diesem Komplex inhärenten Aporie der Unterscheidbarkeit von „Eigenem“ und „Fremdem“ an.
Im Zentrum steht dabei immer die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Verhältnis der diegetischen Ebene – der Auswahl von Umständen und Gegebenheiten, die als gewöhnlich profiliert werden, sowie die jeweilige Figurenkonzeption, welche Gewohnheitsmechanismen exponiert – und der poetologischen Strategie, mit welcher der entsprechende Text das „Gewöhnliche“ konturiert. Phänomenologische Überlegungen zu Evidenz von Stimmungen des Gewöhnlichen und zum Aufbau der „Lebenswelt“ werden hierzu mit narratologischen Theoremen zur Darstellung von Räumen des Gewöhnlichen in der durch die Literatur erzeugten Spannung von „Fiktion“ und „Imagination“ mit dem Ziel verbunden, die postromantische Konfiguration des Gewöhnlichen auf ihre Wirkungskraft für dezidiert modernistische Prosa über die Schwelle zum 20. Jahrhundert hinaus zu prüfen.
In der Frage nach der Relevanz der Gewohnheits- und Gewöhnlichkeitstypologie des 19. Jahrhunderts für modernistische Prosa ab der Jahrhundertwende stehen sich zwei Hypothesen gegenüber: Walter Benjamins Überlegungen gemäss haben sich die Gewohnheitstopoi der „Wohnsucht“ des 19. Jahrhunderts mit der Abkehr vom Gewohnten und der stärkeren Gewichtung immer flexiblerer Gewöhnungsdynamiken erledigt. Dem steht epochal verschoben die These Richard Sennetts gegenüber, wonach bereits die Gewohnheitsphantasmen des 19. Jahrhunderts eine Reaktion auf die zunehmende Flexibilisierung des Menschen in der Moderne darstellen. Folgt man letzterer Auffassung, so erschöpft sich die poetologische Reflexionskraft in der Regressionsmotivik der Gewohnheits-Figuren des 19. Jahrhunderts nicht, sondern weist vielmehr auf eine subkutane Kontinuität, in welchen diese Poetiken um den Komplex Gewöhnlichkeit/Gewohnheit des 19. Jahrhunderts zu solchen des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart stehen, was schlaglichthafte Vorausblicke auf modernistische Prosatexte etwa von Robert Walser und Thomas Bernhard exemplifizieren.
Projektmitarbeitende
- Dr. Nicolas von Passavant