Die Eigendichtungen unter den geistlichen Liedern des Mönchs von Salzburg. Gestalt, Tradition und Funktion einstimmiger deutschsprachiger Liedkunst an einem fürstbischöflichen Hof im späten Mittelalter
Die deutschsprachige Literatur des Spätmittelalters hat in der mediävistischen Forschung der letzten Jahrzehnte eine umfassende Neubewertung erfahren. Dabei wurde deutlich, dass die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts gerade im Bereich der Lieddichtung eine besonders produktive, innovative und experimentierfreudige Phase war, die auf die weitere Entwicklung der Gattung bestimmenden Einfluss hatte. Aus dieser folgenreichen Phase der deutschsprachigen Lyrik ist unter der Autorbezeichnung ‚Mönch von Salzburg‘ ein über 100 geistliche und weltliche Lieder umfassendes Korpus überliefert, zum allergrössten Teil mit Melodien. Diese Lieder partizipieren in vielfältiger Weise an der weiteren Geschichte der musikalischen Lyrik im 15. und 16. Jahrhundert. Damit bietet dieses Korpus die Möglichkeit, im Detail zu untersuchen, was auf dem Feld der Lyrik an Konventionen tradiert wurde, was als Innovation gelten kann, was als Besonderheit der Produktions- und Rezeptionsumstände am Salzburger Hof anzusehen ist und wie sich der Sitz im Leben musikalischer Lyrik veränderte. Die breite Melodieüberlieferung ermöglicht es, sich Texten und Melodien in gleichem Masse zuzuwenden.
Die geplante Dissertation wendet sich den geistlichen Liedern im Korpus zu. Unter ihnen hat sich die bisherige Forschung vor allem mit den Übersetzungen des Mönchs und seines Umkreises befasst. Fussend auf den Ergebnissen zur Faktur der Übersetzungen und der ausführlichen Forschung zur Überlieferung sollen die Lieder untersucht werden, die sich textlich oder musikalisch nicht eindeutig einer Vorlage zuordnen lassen. Grundlage dieser Auswahl ist das Interesse, neben der in den Übersetzungen manifesten Tradition lateinischer gottesdienstlicher Gesänge weitere musikalische und literarische Traditionslinien aufzuspüren und darauf aufbauend die Charakteristika der Mönch-Dichtung deutlicher herauszuarbeiten. Das Untersuchungskorpus bilden somit die elf stollig gebauten Lieder, die vier aus nicht-stolligen Strophen bestehenden Lieder, die fünf Eigendichtungen auf eine lateinische Sequenzmelodie und das am Muster der Sequenz orientierte G 1. Einbezogen wird auch G 39, bei dem es sich zwar um eine Übersetzung handelt, zu der aber bisher nur eine deutlich spätere Melodiekonkordanz bekannt ist, so dass die Melodie-Autorschaft des Mönchs/Mönchs-Umkreises zumindest möglich ist.
Die Dissertation geht folgenden Fragen nach: In welchen literarischen und musikalischen Traditionen stehen die Eigendichtungen des Mönchs? In welchem Verhältnis stehen Text und Musik? Welche Gebrauchsfunktionen lassen die – in der Arbeit nachzuweisenden – Traditionen der musikalischen und sprachlichen Gestaltung der Lieder wahrscheinlich erscheinen?
Die Promotion wird gefördert durch das Cusanuswerk - Bischöfliche Studienförderung.