Kellers Seldwyla-Novellen als Panoptikum des bürgerlichen Zeitalters
Buchankündigung: Alexander Honold
Wo liegt Gottfried Kellers imaginäres Seldwyla? Es ist eine typische Schweizer Stadt, deren soziale Grundzüge auch für Deutschland und andere Länder um die Mitte des 19. Jahrhunderts Geltung haben. In einem Kreis von zehn Novellen schreitet Keller das Figurenarsenal und die Erscheinungsformen des zeitgenössischen bäuerlichen und bürgerlichen Lebens aus und zeigt dabei den Übergang von traditionalen Wertvorstellungen in die dynamisierten Handlungsmuster der modernen Gesellschaft. Worin jeweils falsches und richtiges, gutes und schlechtes Verhalten besteht, ist unter den Rahmenbedingungen der Moderne nur mehr am novellistischen Einzelfall auszuhandeln, das heisst im wechselseitigen Ausgleich von unterschiedlichen Kräften, Interessen und Standpunkten. In diesem Band wird die Seldwyla-Novelle im zeit- und werkgeschichtlichen Kontext vorgestellt, zudem wird ihre Stellung in der Gattungstradition der Novellistik und im bürgerlichen Realismus erörtert. In ausführlichen Werkbetrachtungen kommen die zehn Seldwyla-Novellen mit ihren kühnen und verzagten, ihren rückständigen und ihren weltzugewanderten Protagonisten selbst zu Wort. Es zeigt sich, wie das beschreibende Temperament des Chronisten und das didaktische des exemplarischen Erzählers einander überkreuzen. So stellt Gottfried Keller in seinen Seldwyla-Novellen das modelhafte Figurenpersonal in strukturgeschichtlicher Hinsicht vor die Probleme und Herausforderungen der gesellschaftlichen Modernisierung. Die erzählten Tugenden und Laster erweisen sich dabei als Steuerungselemente einer sozialen Bestandsaufnahme und Verhaltenslehre des bürgerlichen Lebens.
Alexander Honold
Die Tugenden und die Laster. Gottfried Kellers Die Leute von Seldwyla. 2018. 336 Seiten. Broschiert.
sFr. 38.– / € (D) 38.–
ISBN 978-3-7574-0002-6
9 783757 400026
Auch als E-Book erhältlich
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