Erfahrungsberichte aus der digitalen Lehre

Die Universität Basel gab am Freitag, 13. März, bekannt, dass der Präsenzunterricht bis Ende Frühjahrssemester 2020 eingestellt wird und die Veranstaltungen bis dahin ausschliesslich über digitale Kanäle angeboten werden. Dies stellte auch die Lehre am Deutschen Seminar vor grosse Herausforderungen: Vor allem bei der Umstellung von Veranstaltungsformen wie Proseminaren, Seminaren und Forschungsseminaren, die von der persönlichen Diskussion leben, war Kreatitivät gefragt.

Die folgenden Berichte sollen einen Einblick in den neuen Alltag mit dem 'distant teaching' am Deutschen Seminar ermöglichen. Wie hat die Umstellung geklappt? Wo lagen Schwierigkeiten, wo neue Chancen? Die kurzen Berichte aus der Praxis sollen den Austausch fördern, über Bereichs- und Fachgrenzen hinaus - und ganz nebenbei helfen, diese ausserordentliche Situation fassbarer zu machen und unseren Umgang damit zu dokumentieren.

Ein erster Rückblick auf das "Corona-Teaching" im Frühjahrssemester

Inmitten ungewisser Wochen, in denen das Corona-Virus sich rasch verbreitete, wurde im März der Präsenzunterricht an der Universität Basel bis auf Weiteres eingestellt. Die Klarheit der Maßnahme war eine Erleichterung: Man trug sich seit längerem mit dem Wissen darum, dass dieses Semester anders verlaufen würde – bloß wie anders?

Nun war die Aufgabenstellung klar: Die Lehre muss weiter gewährleistet werden, digitale Videokonferenzen sind das Mittel der Wahl. Innerhalb weniger Tage nahmen alle Beteiligten die nötigen Anpassungen vor und das Ineinandergreifen der verschiedenen universitären Arbeitsebenen verlief, im Vergleich mit anderen Arbeitsfeldern und Institutionen, vorbildlich.

Die montägliche Proseminarsitzung konnte ich turnusgemäß ansetzen, wenngleich ich die Lehrveranstaltung inhaltlich pausierte und zunächst eine Probesitzung zum Kennenlernen von Zoom veranstaltete – ein Bedürfnis des Dozenten mehr als der Studierenden, für die das Agieren in virtuellen Umgebungen längst zweite Natur ist.

Meine Lehrinhalte konnte ich via Zoom gut vermitteln – vielleicht zu gut, denn das Video-Teaching zeigte die Tendenz zur zwar konzentrierten, zugleich aber monodischen Tonspur. Die Kommunikation fokussiert sich auf den gerade Sprechenden, in der Regel auf den Dozenten – dessen Hang zum Dozieren hier das allzu perfekte technische Resonanzmittel gefunden hat. Ich habe meine Studierenden zwar Referate halten lassen, aber auch dann sind die Rollen von Sprecherin und Zuhörern stets klar verteilt. Die lebendige Seminardiskussion, in der Erkenntniseifer und mit Verve vertretene Standpunkte den gemessenen Lehrduktus über den Haufen werfen – ich habe sie vermisst in diesem Corona-Semester.

An der übrigens sehr guten Studiengruppe lag das nicht, sondern am intrinsischen Habitus des Video-Teachings. Unabhängig davon, ob die präsentische Unterrichtspraxis immer zu begeisterter Interaktion führt: Grundsätzlich fasse ich das Seminargespräch als Plenum und nicht als Katheder auf. Dieses Ideal ließ sich via Zoom nur schwer erfüllen. Die Grundspannung des kopräsentischen Dialoges fehlte einfach.

Technische Tools können nicht neutral eingesetzt werden, um irgendeine vorgängige Praxis zu reproduzieren. Sie treiben einen eigenen Habitus hervor. Hier sollte man sich keinen Illusionen hingeben und genau beobachten, wie das Medium auf Praxis und Ethos durchschlägt. Was das Studium als Lebensform so einzigartig und unersetzbar macht, hängt durchaus auch an der Gemeinsamkeit des Ortes, an der spürbaren und sich wechselweise erhöhenden Aufmerksamkeit innerhalb einer Studiengruppe, an den Haupt- und Nebengesprächen während und zwischen den Lehrveranstaltungen.

Die gemeinsame und schnelle Anstrengung in diesem Krisensemester empfinde ich als bereichernde Erfahrung. Ich hoffe aber, dass das Frühjahrssemester 2020 nicht den Präzedenzfall für ein Studium ohne Ort abgeben wird.

Micha Huff, 8.6.2020

 

Wie die Umstellung eines Dozenten trotz anfänglicher Skepsis ganz gut geklappt hat

Als älterer Herr, der grundsätzliche Schwierigkeiten mit der digitalen Welt hat, war ich anfangs bestürzt über das Ende des 'leibhaftigen' Unterrichts und die Zumutung, mich nun auf online-Foren begeben zu müssen. Es hat aber ganz gut geklappt.

Meine Hölderlin-Vorlesung habe ich in der ersten Woche nach der Umstellung zuerst ausformuliert und auf ADAM gestellt. Gleich danach bin ich aber dazu übergegangen, sie auf Sprachmemos einzulesen und als Audiodatei hochzuladen. Das kommt, wie die positiven Rückmeldungen bezeugen, beim Publikum besser an, weil viele Passagen durch Extemporieren lebendiger wirken als der reine Text. Und ich selbst hatte gemerkt, dass mir ganz physisch das Hölderlin-Vorlesen fehlte, die Möglichkeit also, diese Gedichte gerade in ihrer unglaublichen Rhythmik zu Gehör zu bringen. Klarheit muss ich mir noch verschaffen über die Abschlussklausur, die ich für den Erwerb der Creditpoints vorgesehen habe.

Das Seminar zu Hölderlins Lyrik halte ich als Videokonferenz über zoom ab. Das klappt – dank angenehm überschaubarer Teilnehmerzahl (12) – ebenfalls sehr gut. Technische Probleme gab es in den bisherigen drei Sitzungen nicht. Ungewollte Einblicke ins Privatleben wie durch plötzlich im Bild auftauchende Geschwister (bei den Studierenden) oder Kinder (beim Dozenten) werden mit Heiterkeit vermerkt und befördern eine entspannte Atmosphäre.

Das Seminar über literarische Reportagen, das ganz überwiegend von Studierenden der Fachhochschule Nordwestschweiz besucht wird, halte ich via Schriftverkehr ab, weil die FHNW ausdrücklich darum gebeten hat, mehr asynchrone Veranstaltungsformen anzubieten. Die Studierenden erhalten jede Woche eine Aufgabenstellung für einen kleinen Essay zu den jeweils zu behandelnden Primärtexten, und ich selbst verfasse jeweils ein Paper von 4 - 6 S., in dem ich zusammenfasse, was ich normalerweise im Unterricht gesagt hätte. Da ich zu diesen kleinen Essays auch ein kurzes Feedback gebe, ist der Arbeitsaufwand hier doch höher. Das Format wird aber von den Studierenden gut angenommen, und ich kann mir durch die Vorgabe der Essays ein klareres Bild vom sprachlichen Können jedes einzelnen Teilnehmers verschaffen.

Manfred Koch, 3.4.2020

Die erste Woche 'distant teaching' aus der Sicht einer Studentin

Die erste Woche ohne Präsenzunterricht brachte mir allerlei schriftliche Formate wie das Verfassen von Lektüreeindrücken und Rezensionen oder das Ausfüllen von Aufgabenblättern nahe. Ich sass also häufig still am Arbeitstisch und hielt meine Überlegungen fest, um letzlich wieder einsehen zu müssen, dass die Ergebnisse dieses Nachdenkens ohne Austausch mit anderen weitaus weniger schlau waren.

Dieses schweigsame Schreiben war allerdings bloss ein Teil des universitären Arbeitens der letzten Woche. «Zoom», die Software der Stunde, hielt mich ebenfalls beschäftigt. Auf Zoom können auch einige für Seminare typische Sitzungsformate wie Diskussionen in Kleingruppen durchgeführt werden. Dazu stellt der Host für eine begrenzte Zeit Online-Räume, sogenannte ‘breakout rooms’, zur Verfügung. Konferenzen mit vielen Teilnehmenden werden durchaus anstrengend, da bietet es sich an, Gruppenräume bereitzustellen. Unangenehmen Sprechpausen kann so ebenfalls begegnet werden. Durch das Teilen eines Bildschirms können selbst Präsentationen weiterhin abgehalten werden.

Weitere Möglichkeiten zum Austausch ergeben sich durch die Foren und Blogs auf ADAM. Die eingangs erwähnten Lektüreeindrücke und Lösungsansätze der Arbeitsblätter können hier von anderen Studierenden eingesehen und kommentiert werden. Sollte man unter einer schlechten Internetverbindung leiden oder an einer Zoom-Sitzung nicht teilnehmen können, sind diese Formate eine gute Alternative. Denn die asynchrone Bearbeitung der Foren- und Blogbeiträge lässt es zu, den neuen Arbeitsbedingungen der Studierenden und Dozierenden gerecht zu werden. Findet sich während den Zoom-Sitzungen jemand, der ein Protokoll anfertigt, ist es den abwesenden Studierenden auch möglich, die dort geführten Diskussionen so nachträglich zu kommentieren.

Nach der ersten Woche mit ‘distant teaching’ steht für mich fest, dass Geduld nach wie vor grossgeschrieben werden muss. Die vorgestellten Ansätze haben allerdings auch gezeigt, dass besonders der verbale Austausch, den ich persönlich sehr schätze, nicht zum Erliegen kommen muss. Natürlich sind die Möglichkeiten der Kommunikation eingeschränkt, aber Diskussionen lassen sich auch auf neue Formate wie die Foren oder Blogs auf ADAM übertragen, die erst jetzt richtig Beachtung erfahren.

Céline Burget, 25.3.2020