Arbeitstitel: Pleonastic constructions in German child (directed) speech

Erstbetreuung: Prof. Dr. Heike Behrens, Universität Basel
Zweitbetreuung: Prof. Dr. Katrin Skoruppa, Universität Neuchâtel
Drittbetreuung: Dr. Zeynep Köylü, Universität Basel

Hintergrund:
Das Promotionsprojekt beschäftigt sich mit dem Erwerb des Konstruktionsinventars zum Ausdruck von Richtung (PFAD) und Lokation bei Kindern mit Deutsch als Erstsprache. Im Deutschen stehen vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, räumliche Relationen zu enkodieren, z.B. mit Verbpartikeln (rein, rauf, rüber, ...), mit Präpositionen (in, unter, auf, ...) oder mit Lokal- und Pronominaladverbien (innen, unten, darüber, ...). Hinzu kommt ein Konstruktionstyp, der in der Forschung bisher wenig Beachtung fand: In pleonastischen PFAD-Konstruktionen wird die Richtungsangabe der Präposition in einer Partikel/einem Adverb redupliziert (ins Haus rein, auf dem Tisch drauf,...). Die semantischen, syntaktischen und funktionalen Besonderheiten dieser unterschiedlichen Konstruktionstypen zu durchdringen, stellt eine grosse Herausforderung für Kinder im Erwerb räumlicher Sprache dar (Bryant, 2012).

Forschungsfragen und Umsetzung:
Das Promotionsprojekt hat das Ziel zu untersuchen, wie Kinder sich schrittweise das komplexe System der PFAD-Konstruktionen erarbeiten. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Rolle pleonastischer Konstruktionen, für welche Bryant (2012) eine unterstützende Funktion im Aufbau des mentalen Konstruktionsnetzwerks vorschlägt. Folgende Fragen stehen im Vordergrund der Arbeit: Wie häufig sind pleonastische Konstruktionen in natürlicher Sprachverwendung (im Vergleich zu anderen Konstruktionstypen)? Welche sprachlichen Mittel zum Ausdruck von PFAD verwenden Kinder zu welchem Zeitpunkt im Erwerbsverlauf? Inwiefern zeigen sich Unterschiede und Ähnlichkeiten zum Gebrauch der Konstruktionen in der kindgerichteten Sprache Erwachsener? Zur Beantwortung der Fragen werden 3 Longitudinalkorpora von deutschsprachigen Kindern (Alter 2-7 Jahre) in Interaktion mit Erwachsenen quantitativ und qualitativ analysiert (CHILDES-Datenbank, Rigol-Korpus, Lieven & Stoll, 2013). Die Untersuchung erfolgt unter Berücksichtigung theoretischer Grundlagen aus konstruktionsgrammatischen und gebrauchsbasierten Ansätzen der Spracherwerbsforschung (u.a. Behrens, 2009) sowie mit Hilfe zentraler Konzepte aus der kognitiven Raumlinguistik (Talmy, 2000).

Relevanz:
Raumsprachliche Kompetenz von Kindern wird spätestens mit dem Schuleintritt unverzichtbar, denn sie steht in engem Zusammenhang mit geometrischem Vorstellungsvermögen und mathematischen Verstehensprozessen (Möhring et al., 2021) und ist somit von zentraler Bedeutung für schulischen Erfolg. Ergebnisse wie die der vorliegenden Studie können einen wertvollen Beitrag zur gezielten Förderung in der Vermittlung des komplexen Inventars an PFAD-Konstruktionen im Deutschen leisten.

Literatur:
Behrens, H. (2009). Usage-based and emergentist approaches to language acquisition. Linguistics, 47(2). https://doi.org/10.1515/LING.2009.014
Bryant, D. (2012). Lokalisierungsausdrücke im Erst- und Zweitspracherwerb: Typologische, ontogenetische und kognitionspsychologische Überlegungen zur Sprachförderung in DaZ. Ursprüngl. zugl.: Tübingen, Univ., Habil.-Schr., 2010.
Lieven, E., & Stoll, S. (2013). Early communicative development in two cultures. Human Development, 56, 178–206. https://doi.org/10.1159/000351073
Möring, W., Ribner, A. D., Segerer, R., Libertus, M. E., Kahl, T., Troesch, L. M., & Grob, A. (2021). Developmental trajectories of children’s spatial skills: Influencing variables and associations with later mathematical thinking. Learning and Instruction, 75, 101515. https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2021.101515
Talmy, L. (2000). Toward a Cognitive Semantics: Typology and Process in Concept Structuring (Vol. 2). MIT Press.